Arzt-Patienten-Seminar
10 Jahre SHG Hohenlohe vom 23.07.2005

Die Standardtherapie versagt - immer wieder Kortison oder gibt es Alternativen?

Priv. Doz. Dr. med. Markus Menges


Die Verläufe chronisch entzündlicher Darmerkrankungen sind von Patient(in) zu Patient(in) ausgesprochen unterschiedlich. Dabei spielt neben objektiven Unterschieden z.B. in der Häufigkeit und Schwere von Schüben auch die individuell unterschiedliche Krankheitsverarbeitung eine große Rolle.

Dennoch kann man allgemein davon ausgehen, dass nicht einmal die Hälfte der M.Crohn-Patienten auf Dauer mit einer "Standard-Therapie", bestehend aus Mesalazin-Präparaten (z.B. Salofalk®, Claversal®, Dipentum® u.a.) und Steroiden auskommen. Gut ein Fünftel der Erkrankungen erweist sich als steroidrefraktär, also nicht ansprechend auf die Kortisongabe, ein gutes Drittel der Patienten ist steroidabhängig, d.h.: nur mit einer entsprechend hohen Dosis an Steroiden ist Beschwerdefreiheit zu erzielen, unterschreitet man diese "Schwellendosis", treten sofort wieder Krankheitserscheinungen auf. Dabei gilt ein Patient nur dann als steroidrefraktär, wenn er/sie auf intravenöse Kortisongabe nicht anspricht.

Ferner ist es ausgesprochen wichtig, andere mögliche Ursachen eines fehlenden Ansprechens auf die Behandlung, wie Engstellen im Magen-Darmtrakt, Abszesse im Bauchraum oder auch virale oder bakterielle Darminfektionen auszuschließen.
Liegt keine der erwähnten Gegebenheiten vor, gilt heutzutage Azathioprin (z.B. Azafalk®, Zytrim ®, Imurek® u.a) als Mittel der Wahl. Nachteile des Medikamentes liegen in der langen "Anlaufzeit" - bis zur vollen Wirkung vergehen etwa 2-4 Monate- und den Nebenwirkungen, so dass ein Teil der Patienten das Medikament nicht verträgt. Als Alternative kommt Methotrexat in Betracht, welches man zunächst als Spritze intramuskulär verabreicht, um später auf Tabletten übergehen zu können. Selbstverständlich hat auch dieses Medikament zahlreiche Nebenwirkungen und aufgrund der möglichen Erbschädigung muss während der Behandlung eine strikte Empfängnisverhütung erfolgen.

Der in den letzten Jahren in den Medien stark beworbene Antikörper gegen den Tumornekrosefaktor alpha (Infliximab = Remicade® ) ist dagegen als Reservemedikament bei Kontraindikationen gegen oder Nichtansprechen auf die genannten Medikamente anzusehen - eine besondere Indikation hat Infliximab allerdings bei fistulierender Erkrankung, besonders bei perianalen Fisteln.
Die Behandlung mit Infliximab stellt einen tiefen Eingriff in das Immunsystem dar, weshalb es einer ausführlichen Diagnostik vor Behandlungsbeginn bedarf, um z.B. das Aufflackern einer alten Tuberkulose zu verhindern.

Die Behandlung der komplizierten Colitis ulcerosa, die nicht auf die üblichen Therapiemaßnahmen anspricht, folgt ähnlichen Prinzipien - auch hier stellen Azathioprin und Methotrexat die Alternativen in der Behandlung dar. Als Reservemedikament kommt hier Cyclosporin (z.B. Sandimmun®) in Betracht, was anfangs stets intravenös verabreicht wird, bevor auf Tablettenbehandlung übergegangen werden kann. Die Einleitung einer solchen Behandlung muss aufgrund zahlreicher Nebenwirkungen und notwendiger engmaschiger Kontrollen stets stationär erfolgen.

Grundsätzlich gilt bei Colitis ulcerosa, stets auch die chirurgische Therapiemöglichkeit (Darmresektion) im Auge zu behalten, da hierdurch im Gegensatz zum M.Crohn eine Heilung erreichbar ist. Dies gilt um so mehr bei ganz schweren akuten Verläufen (fulminante Colitis) mit entsprechend schwerem Krankheitsbild.

Alle anderen Medikamente sind als experimentell anzusehen und haben in der Routinebehandlung derzeit (noch?) keinen Platz.

Insgesamt gesehen kann aber für jeden betroffenen Patienten mit einer komplizierten chronisch-entzündlichen Darmerkrankung in den Händen eines erfahrenen Gastroenterologen zusammen mit dem Betroffenen eine mindestens befriedigende Behandlung erreicht werden, die dem Patienten/ der Patientin seine/ ihre Lebensfreude zurückbringt.

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